Dienstag, 3. Mai 2016

Liebe, Internet, Schule

Von Jan Frankowski

Worauf Teenager Bock haben und worauf nicht...
Auf Krawall gebürstet, leistungsorientiert oder ängstlich? Seit 2008 untersucht die Sinus-Studie alle vier Jahre die Einstellungen der 14- bis 17-Jährigen in Deutschland. Heute ist es wieder so weit.
Worauf die 14- bis 17-Jährigen Bock haben – und worauf nicht:
► Erstaunlich: Die Haltung gegenüber sozialen Netzwerken wird immer kritischer.
► Toleranz, Freiheit, Gleichberechtigung und religiöse Aufklärung werden für die 14- bis 17-Jährigen immer wichtiger. 
HIER die wichtigsten Ergebnisse der neuen Umfrage im Überblick:

Sättigungseffekt bei Social Media

Jederzeit und überall online zu sein gehört für die Befragten mittlerweile zum ganz normalen Lebensstandard. „Ins Internet gehen“ war gestern – jetzt lebt man jede Minute im Netz.

In der Studie wird daher sogar bereits von einem „Sättigungseffekt“ gesprochen, was das Medieninventar angeht. Der Höhepunkt der digitalen Durchdringung des Alltags scheint erreicht, die bedingungslose Faszination weicht einer vergleichsweise nüchternen Skepsis.
Themen wie Datenschutz und Überwachung rücken mehr und mehr in den Fokus. Jugendliche wollen heute die sozialen Netzwerke nicht nur nutzen, sondern die dahinter liegenden Zusammenhänge auch verstehen. 
Eine klare Forderung daher: In der Schule sollte nicht nur vor den Risiken gewarnt, sondern ein offensiver Umgang damit gelehrt werden. Denn die digitale Kompetenz, das geht aus der Befragung hervor, ist je nach Herkunft und Bildungsstand noch immer höchst unterschiedlich. So gelingt es Jugendlichen mit höherer Bildung auch tendentiell besser, die Nachteile vom Umgang mit dem Internet zu reflektieren.

Ganz auf Social Media verzichten ist für die meisten jedoch auch keine Option. Schließlich ist „digitale Teilhabe immer mehr Voraussetzung für soziale Teilhabe in der Peergroup“. Kurz gesagt: Wer nicht online lebt, wird offline von Gleichaltrigen oft ausgegrenzt.
Facebook, WhatsApp, Instagram & Co. – sie werden zunehmend zum Zwang, die Jugendlichen sogar in gewisser Weise davon abhängig.
Lässt man die Jugendlichen einen Blick in ihre eigene Zukunft werfen, so glauben viele, dass ihre private Internetnutzung eher abnehmen wird, sobald sie ins Berufs- und Familienleben eintreten. Auf bestimmte „Werkzeuge“, die ihnen ihr Handy bietet, wollen sie aber nie mehr verzichten. Dazu zählen unter anderem die vielgenutzten Messenger-Dienste.

Vor allem der Messenger-Dienst von Facebook ist bei den Jugendlichen besonders beliebt. Ohne ihn droht die soziale Ausgrenzung
Foto: dpa/Arno Burgi

Eltern und Schulen hinken der Entwicklung hinterher

Die meisten Eltern greifen nach Auskunft der Jugendlichen kaum in das Internetverhalten ihrer Kinder ein, heißt es in der Studie. Ein Grund: Für die Erwachsenen ist „online sein“ selbst zur Normalität geworden.

Es wird zwar noch immer darauf geachtet, dass die jungen Nutzer nicht zu lange wach bleiben und was sie online konsumieren beziehungsweise preisgeben. Insgesamt ist das Verhältnis der Eltern zum Surf-Verhalten der Kinder jedoch deutlich stärker durch Vertrauen geprägt als noch vor einigen Jahren.
In der Schule scheinen digitale Medien noch immer nicht den gleichen Stellenwert zu genießen, wie für Jugendliche privat. Meist nur in bestimmten Fächern und viel zu selten – so urteilen die Befragten – kommt das Internet zum Einsatz.
Während so genannte bildungsfernere Jugendliche eine deutlich stärkere Einbindung von Medien in den Unterricht begrüßen, bezweifeln bildungsnahe Schüler, dass die Digitalisierung des Klassenraums einen großen Vorteil bietet.

Einigkeit herrscht jedoch in der Frage, ob die Schulen technisch ausreichend ausgestattet sind. Die Antwort: Nein!...

Weitere Erkenntnisse der Studie
Emotionale Sicherheit ist das Ziel in der Partnerschaft:
In Sachen Liebe sind Jugendliche offenbar traditioneller als man glauben mag. Vertrauen, Ehrlichkeit, und Verlässlichkeit sind zentrale Voraussetzungen für Beziehungen.
Bis spätestens Mitte 30 möchten die allermeisten der Befragten in einer dauerhaften Beziehung leben. Die klassische Zweierbeziehung wird dennoch von vielen angezweifelt, da sie Selbstverwirklichung und Partnerschaft als heute nur schwer vereinbar sehen.
► Die Themen Flucht und Asyl unter Jungendlichen in Deutschland:
Ein Großteil der Befragten gibt an, „Interesse“ für die Thematik zu haben. Die Ausprägungen könnten dabei jedoch nicht unterschiedlicher sein. Während viele für offene Grenzen und die kulturelle Vielfalt sind, gibt es hier und da auch kritische Worte.
„Vor allem bei Jugendlichen aus der gesellschaftlichen Mitte und bildungsfernen Schichten werden teilweise rigoros Ressentiments gegenüber Neuzuwanderern geäußert“, heißt es von Peter Marin Thomas, einem der Autoren der Studie.
Die deutsche Vergangenheit ist negativ besetzt:
Das Wort „Geschichte“ wird meist mit negativen historischen Ereignissen verbunden – allen voran dem des Zweiten Weltkrieges. Aus diesem Grund wünschen sich viele der Befragten einen deutlich lebendigeren Unterricht, der sich auch mit aktuellen Ereignissen befasst. Zeitzeugen schaffen dabei deutlich mehr Authentizität als Videoaufnahmen oder gar Buchtexte.
Glaube und Religion treten in den Hintergrund:
Auch hier gibt es unterschiedliche Ansichten, die jedoch nicht unbedingt mit dem Bildungsstand zusammenhängen. Vielmehr werden sie von der Konfession selbst beeinflusst. So sind christliche Jugendliche deutlich weniger mit ihrem Glauben identifiziert als Muslime. Für sie ist der Islam ein Teil ihrer Persönlichkeit, den sie zunehmend auch offen ausleben.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Terrorbedrohung auf der Welt werden religiöse Konflikte hauptsächlich mit dem Islam assoziiert. Einig sind sich die Jugendlichen aller Konfessionen zudem darin, dass die religiöse Begründung von Gewalt abzulehnen ist.

Hintergrund zur Studie

Es ist bereits die dritte Untersuchung der Reihe „Wie ticken Jugendliche?“. In beiden Vorgängerstudien (2008 und 2012) konnte aufgezeigt werden, dass es DIE Jugend nicht gibt, sondern dass große soziokulturelle Unterschiede zwischen den verschiedenen Lebenswelten existieren. Das hat sich auch 2016 nicht geändert.

Befragt wurden insgesamt 72 Personen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren. Julia Langer von der Sinus-Akademie erklärt, warum dennoch Schlüsse auf ganz Deutschland möglich sind:
„Anders als bei quantitativen Befragungen haben wir uns auf vergleichsweise wenige, dafür intensivere Interviews beschränkt. Dadurch können wir klare Aussagen über Gruppen „Gleichgesinnter“ treffen, die sich z. B. darin ähneln, was ihnen im Leben wertvoll und wichtig ist oder was sie für Vorstellungen von Lebensqualität und Lebensweise haben. Dadurch ist die Studie zwar nicht im statistischen aber im psychologischen Sinne repräsentativ.“
Berücksichtigt wurden bei der Auswahl der Befragten Merkmale wie das Geschlecht, der Wohnort, der angestrebte Schulabschluss sowie ob ein Migrationshintergrund besteht.
Auftraggeber sind die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (afj), der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) und die VDV-Akademie (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen-Akademie).

Quelle: http://www.bild.de/politik/inland/social-media/so-tickt-deutschlands-jugend-45528432.bild.html
letzter Zugriff: 03.05.2016, 15.00 Uhr
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